Der angekündigte Osterurlaub ist überstanden. Meine Gesundheit, Fitness und Geduld wurden während dieser wenigen Tage herausgefordert (ich schreibe das hier schniefend in einen Schal gehüllt, mit Halsbonbon im Mund). Der Hinflug mit der tansanischen Airline Precision Air war angenehm und hat nur etwas mehr als eine Stunde gedauert. Wir hatten Glück, dass P.s Chef mit an Board war und uns anschließend in seinem Mietwagen zu der Kaffeeplantage in der sich unsere Lodge befand gefahren hat. Die Moivaro Coffee Lodge besteht aus kleinen Häuschen, großzügig in der Plantage verteilt und mit Kamin ausgestattet. Da es in Arusha recht kühl werden kann, besonders Abends, ist der Kamin nicht nur schönes Beiwerk, sondern tatsächlich notwendig. Wir haben ihn allerdings nicht anbekommen. Das Holz war zu nass. Die Stadt Arusha ist ein wichtiger Ausgangspunkt für allerlei Safaris und Unternehmungen im Norden von Tansania. Schön ist sie jedoch nicht. Wir haben trotzdem beschlossen eine Stadtbesichtigung zu machen, um die Touren zu organisieren und etwas zu essen zu finden. Nach einem recht kurzen Spaziergang die Hauptstraße entlang, kehrten wir im Museumscafe ein, um zu verschnaufen und das weitere Vorgehen zu besprechen. Kurz vor dem Ziel trat ich in einen Kaktus mit sehr langen Stacheln. Die Kaffeepause fiel dann etwas länger aus, zwei der Stachel stecken noch heute in meinem Fuß. Für Tipps zur Stachelentfernung bin ich sehr dankbar.
Nun schon etwas angeschlagen begann ich am nächsten Tag den Dorfspaziergang in einem 4000 Seelen Dorf namens Ingeresi. Kann ja nicht so groß sein so ein Dorf, dachten wir zunächst und wurden eines besseren belehrt. Die Siedlung erstreckte sich über gefühlte zig Quadratkilometer und unzählige Hügel um den Mount Meru herum. Wir sahen die Schulen, die Felder, die Kühe, die Kirche, die Wasserstelle und aßen im Haus des Bürgermeisters zu Mittag. Danach ging es weiter zum Wasserfall, quer durch die Plantagen, einen schlammbedeckten Hügel hinunter, den wir mehr hinunterfielen als gingen. Henry war unser Guide, begleitete uns den ganzen Tag und beantwortete 1 Million Fragen. Die Füße in Wollsocken gehüllt, immer ein aufmunterndes Wort auf den Lippen, wenn wir nicht mehr weiter konnten. Verwundert über unsere „gute Haut“ die nicht rot zu werden schien wie er es von seinen anderen Gästen gewohnt war. Auf dem Weg immer wieder Kinder, einzeln, in Gruppen, in Kangas auf dem Rücken ihrer Mütter festgebundene Babys. So viele, dass sie mindestens 80 % der Dorfbevölkerung ausmachen müssten. Die meisten fröhlich und dreckig, begierig ein Foto von sich auf dem Display meiner lädierten Kamera zu sehen. Zu sehen, wie der neu eingeübte Kopfstand aussieht oder die kleine Schwester auf den schultern balanciert. Waaaazuuuuuuungu! Riefen sie, sobald wir auch nur in Sichtweite waren. Wenn wir sie dann erreichten oder sie uns, sagten sie brav good morning, auch am Mittag und Nachmittag. Die kleinsten hatten furchtbare Angst, schauten uns mit großen misstrauischen Augen an. Ein Mädchen fing so bitterlich an zu weinen als sie uns sah, als hätte sie den Teufel persönlich erblickt und gleich würde ihr schreckliches geschehen. Mzuuunguuu! Kam also von allen Seiten, mal fröhlich und mal voller Furcht.
Besonders aufschlussreich war der Einblick in eine traditionelle Maasai-Behausung. Die Arusha-Maasai haben sich im Laufe der Jahrhunderte, Jahrzehnte von Nomaden zu Bauern entwickelt und halten Rinder, Ziegen und Schafe, bauen Yams, Kaffe und Bananen an. Die Rundhäuser in denen sie leben beherbergen nicht nur die Menschen sondern auch ihr wertvollstes Gut: die Rinder. Über einen kleinen Vorraum, in dem die männlichen Kinder zusammen auf einer Art Pritsche schlafen, kommt man in den Hauptraum in dessen Mitte sicht eine kleine Kochstelle befindet. Rundherum die Rinder (In unserem Fall eine Kuh und ihr nur wenige Tage altes Kalb) samt ihrer Futtertröge. Hinter einer Bananenblattwand eine weitere größere Pritsche: Das Nachtlager der Mutter und aller Töchter. Etwa ein Viertel des Platzes gehört den Menschen, drei Viertel den Tieren und das Ganze auf nur 15 Quadratmetern.
Am späten Nachmittag in einer sogenannten Lounge bei einer Schale sättigender aber geschmackloser Nudeln dann die Entdeckung: Meine kaputte Kamera ist weg. Unauffindbar. Auch nach 3 Stunden Suche und „rewalking the village walk“ inklusive Henry, der schon fast zu hause war und dann umkehrte um mit uns zu suchen. Damit sind auch die 1000 vielleicht brauchbaren Fotos verschollen, die unterwegs entstanden sind. 800 davon von Kindern. Beim Wasser tragen, Schafe hüten, Kekse essen (von P. gerecht verteilt). Die anderen 200 zeigten spektakuläre Bergpanoramen, Wasserfälle und Mzungus (M.+P.) beim Hügel hinunterrutschen. All das werdet ihr also nicht sehen.
Die eigentliche Tragik des Kameraverlustes erschloss sich jedoch erst am nächsten Tag. Der Arusha-Nationalpark im Morgennebel begrüßte uns mit seinen wunderschönen Landschaften. Es ist zwar einer der kleineren Parks und es gibt keine Raubkatzen aber landschaftlich ist es der interessanteste. Gleich am Eingang viele, viele Giraffen. Wir bleiben stehen und staunen, wie unbeirrt sie Akazienblätter fressen trotz der Dornen dazwischen. Das erinnert mich wieder an meinen kaktusstacheldurchwirkten Fuß…
Wir genießen den Moment ohne Linse vor dem Auge. Beobachten Büffelherden, erspähen Affen und Warzenschweine, schauen auf den See voller Pelikane und versuchen den Geruch des Salzwasserschlamms zu ignorieren. Die Tatsache, dass es keine Raubkatzen/Raubtiere gibt in diesem Park, hat den Vorteil, dass man auch zu Fuß laufen kann und nicht immer im Auto sitzen muss. Beflügelt vom Village Walk machen wir uns auf, um 2 Stunden durch kleine Teile des Parks zu wandern. Ein Ranger begleitet uns. Etwas beunruhigt sind wir schon angesichts des mitgeführten Gewehrs, werden aber beschwichtigt. Der Guide, zwar ohne Waffe aber mit Daunenjacke und Tierbüchern ausgestattet, bemüht sich sehr mit seinem gebrochenen Englisch. Abend kommen wir todmüde in der Mount Meru Game Lodge, einem Komplex aus 60er Jahre Jagdschloss, Holzhütten und Tiergehege an. Dort erwarten uns nur zwei weitere Hotelgäste und viele Tiere. Besonders beeindruckend die große Anzahl Ibise und Colobus-Affen. Weniger beeindruckend das Hotelzimmer. Weniger beeindruckend auch der Rückflug, diesmal mit Imprecision Air, der kurzerhand ausfiel und uns 7 grausame Stunden Wartezeit am Flughafen, samt Käfer und Moskitoattacken beschert hat.
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